■ Geldpolitik
Sehen wir schon bald wieder Negativzinsen in der Schweiz?
Die Schweizerische Nationalbank hat die Zinsen im letzten Jahr viermal gesenkt. Mit einem Leitzins von nur noch einem halben Prozent ist der Spielraum nach unten nun beschränkt. Trotzdem deutet einiges auf weitere Zinssenkungen hin.
Die Schweizerische Nationalbank ist unter neuer Führung: Seit Oktober 2024 steht Martin Schlegel an der Spitze der SNB. Er hat das Präsidium von Thomas Jordan übernommen, der zuvor die Nationalbank während mehr als zwölf Jahren führte.
Und Schlegel steht vor schwierigen Entscheidungen. Tatsächlich gibt es Analysten, die glauben, schon 2025 könnte die Inflation in der Schweiz wieder negativ sein. Auch Schweizer Medien sprachen bereits von einer Deflation.
Für Schlegel wäre das ein ungünstiges Szenario. Die SNB möchte nämlich fallende Preise genauso verhindern wie Teuerungsraten über zwei Prozent.

Mit tieferen Zinsen gegen eine zu tiefe Inflation
Das Problem mit fallenden Preisen ist nämlich die sich potenziell selbst verstärkende Dynamik. Wer schon bald tiefere Preise erwartet, schiebt seinen Konsum auf. Und wenn plötzlich niemand mehr einen neuen Fernseher kaufen möchte, senkt der Detailhandel die Preise schon heute.
Eine solche Abwärtsspirale bei den Preisen möchte die Nationalbank unbedingt verhindern. Bisher ist ihr das gut gelungen. Zwar hatte die Schweiz auch 2015 eine negative Teuerung. Das aber vor allem darum, weil die SNB damals den Mindestkurs gegenüber dem Euro aufhob. Die Folge: Güter aus dem Ausland wurden schlagartig günstiger. Auf die Inlandteuerung hatte das aber kaum Auswirkungen. Ökonominnen und Ökonomen sprachen von einer «gutartigen Deflation».
Der Franken gewinnt wieder an Wert
Heute ist die Situation sehr ähnlich: Der Franken wird stärker und vergünstigt unsere Einkäufe aus dem Ausland. Derweil ist die Inlandteuerung nach wie vor positiv.
Trotzdem ist die Situation für den neuen SNB-Präsidenten Martin Schlegel unangenehm. Sollte sich die Inflation tatsächlich weiter abschwächen oder sogar ins Negative kippen, muss er mit weiteren Zinssenkungen gegensteuern.
Mit einem Leitzins von nur noch einem Prozent ist der Spielraum dafür aber begrenzt. Zudem wäre es der SNB wohl lieber, wenn wir nicht schon bald wieder Negativzinsen hätten. Das darum, weil Negativzinsen beispielsweise zu höherem Risikoverhalten an den Börsen verleiten – und so indirekt die Finanzstabilität gefährden. Hingegen wären Negativzinsen für Hausbesitzerinnen und -besitzer positiv. Fallende Leitzinsen bedeuten nämlich auch tiefere Hypothekarzinsen.

Portrait Fabio Canetg
Fabio Canetg hat an der Universität Bern und an der Toulouse School of Economics zum Thema Geldpolitik doktoriert. Heute arbeitet er als freischaffender Journalist und Dozent an den Universitäten Neuchâtel und Bern. Er moderiert die Wirtschaftspodcasts «Geldcast» und «Börsenstrasse Fünfzehn».
Es gibt eine Alternative
Statt mit weiteren Zinssenkungen könnte Schlegel aber auch mit Währungsinterventionen gegen eine zu tiefe Teuerung vorgehen. Kauft die Nationalbank nämlich Fremdwährungen, schwächt das den Franken. Davon würde dann beispielsweise der Bündner Tourismus profitieren.
Für die Nationalbank sind aber auch Währungsinterventionen heikel, weil sie die Bilanz der SNB vergrössern – und damit die politischen Begehrlichkeiten gegenüber der Notenbank.
Fällt die Teuerung also tatsächlich schon bald unter null, hätte Martin Schlegel schwierige Entscheide vor sich als Neopräsident der Nationalbank. Eine Rückkehr zu Negativzinsen ist dabei nicht ausgeschlossen. ■