■ Im Fokus
«Innovation lebt von Menschen, die etwas wagen.»
Was treibt Innovation wirklich an? Für Professor Josef Walker, Leiter des Departementes Entrepreneurial Management an der Fachhochschule Graubünden (FHGR), ist sie kein Geistesblitz, sondern das Ergebnis von Neugier, Mut und Lernbereitschaft. Innovation entsteht, wenn Menschen Freiräume erhalten, Routinen hinterfragen und Fehler zulassen. Dieses Verständnis von Innovation prägt nicht nur seine Forschung, sondern auch die Lehre an der FHGR. Auf Initiative der Graubündner Kantonalbank (GKB) entwickelte die Fachhochschule Weiterbildungen, die zeigen, wie unternehmerisches Denken, digitale Kompetenz und Offenheit zusammenkommen, um Neues möglich zu machen.
Text: Nicole Merkel Fotos: Nicola Pitaro
Josef Walker, der Begriff «Innovation» wird heute fast inflationär verwendet. Was bedeutet er für Sie persönlich?
Innovation heisst für mich, auf Basis bestehenden Wissens etwas Neues oder in neuer Kombination zu schaffen – mit Mehrwert für Wirtschaft oder Gesellschaft. Dabei geht es nicht einfach nur um eine Idee oder einen Geistesblitz, sondern um Ausprobieren, Lernen und Verbessern. Daher bedeutet Innovation für mich auch, neugierig zu sein, Routinen zu hinterfragen und Chancen zu sehen statt Probleme.
Sie haben ursprünglich eine Ausbildung zum Primarlehrer gemacht. Glauben Sie, dass der Innovationsgeist schon in jungen Jahren gefördert werden kann?
Kinder im Primarschulalter sind von Natur aus kreativ. Häufig werden sie durch eine Vielzahl an Regeln in ihrer Kreativität eingeschränkt. Ich persönlich glaube, dass die Schulen den Kindern einen grösseren Freiraum geben sollten, um Dinge auszuprobieren. Einen Freiraum, in dem auch Fehler gemacht werden können. Die gehören dazu. Denn aus Fehlern lernt man meist mehr als aus Erfolg.
Und wie steht es mit der Innovation bezogen auf Regionen oder Unternehmen?
Erfolgreiche Regionen und Unternehmen verstehen Innovation als dauerhaften Prozess, nicht als punktuelles Projekt. Daneben sind qualifizierte Arbeitskräfte ein entscheidender Faktor. Zudem braucht es attraktive Rahmenbedingungen. Die Mitarbeitenden müssen befähigt werden, Neues zu schaffen. Mit Offenheit, Vertrauen und – wie zuvor bereits am Beispiel der Primarschule erwähnt – der Bereitschaft, Fehler zuzulassen und aus ihnen zu lernen.
Sie leiten das Departement Entrepreneurial Management an der FHGR. Welches sind Ihre Forschungsschwerpunkte?
Unsere Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Private und Public Entrepreneurship. Beim Private Entrepreneurship geht es um unternehmerisches Denken und Handeln in Unternehmen – etwa zu Themen wie Innovation, Internationalisierung, künstliche Intelligenz und digitale Strategien sowie Corporate Responsibility. Public Entrepreneurship richtet sich an Gemeinden: Wir erforschen, wie auch dort unternehmerisches Denken gefördert werden kann, etwa in Gemeindeführung, Organisation und Freiwilligenarbeit.
Sie forschen jedoch nicht nur, Sie geben Ihr Wissen auch weiter.
Genau. An der FHGR wollen wir unseren Studierenden «Werkzeuge» zur Verfügung stellen, die Innovation ermöglichen, und gleichzeitig eine unternehmerische Grundhaltung fördern.
«Aus Fehlern lernt man meist mehr als aus Erfolg.»
Professor Josef Walker
Können Sie das bitte etwas detaillierter erklären?
Zu den Werkzeugen gehören Innovationsmethoden, Geschäftsmodelle sowie Strategie- und Entscheidungswerkzeuge. Bei der Grundhaltung, dem sogenannten Mindset, geht es darum, Chancen zu erkennen und zu nutzen, mutig zu sein und Unsicherheiten in Kauf zu nehmen – und dabei trotz allem immer den Kundennutzen oder den gesellschaftlichen Mehrwert im Fokus zu behalten.
Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie man diese Haltung in der Praxis lernen kann?
Ein gutes Beispiel ist unsere «Innovators Challenge». In diesem Modul entwickeln Studierende verschiedener Bachelorstudiengänge in interdisziplinären Teams konkrete Produkte oder Dienstleistungen – von der Idee bis hin zu marktfähigen Prototypen. Diese Projekte kommen grösstenteils von Unternehmen, wie etwa von SFS Stadler. Teils bringen Studierende aber auch eigene Start-up-Ideen ein, an denen sie dann gemeinsam mit anderen Studierenden arbeiten und so erste Grundlagen für einen späteren Markteintritt schaffen.
Berufsbegleitend bietet die FHGR mit der New Work Academy einen zweistufigen Zertifikatslehrgang an. Worum geht es dabei?
Der Lehrgang vereint die Inhalte der beiden Programme «General Management» und «digitale Transformation», die auf Initiative der GKB ins Leben gerufen wurden. Ursprung der Anfrage war ein GKB interner Weiterbildungsbedarf im Bereich Digitalisierung. Gemeinsam mit der GKB haben wir dann ein Konzept erarbeitet, um die digitalen Grundkompetenzen der Mitarbeitenden zu stärken – aber auch, um die Einstellung gegenüber der Digitalisierung zu verändern, sie als Chance zu sehen und nicht als Bedrohung. Die Lehrgänge richten sich längst nicht mehr nur an GKB Mitarbeitende. Inzwischen nutzen Teilnehmende aus unterschiedlichsten Branchen das kompakte, praxisnahe Angebot, um ihr Wissen auf den neusten Stand zu bringen und sich fit für die Zukunft zu machen.
Was konkret lernen die Teilnehmenden?
Beim «General Management» geht es um modernes Unternehmensmanagement – von Strategie über Leadership bis hin zu Prozessmanagement. Bei der «digitalen Transformation» werden Grundlagen für die Arbeitswelt 4.0 vermittelt, beispielsweise technologische Trends, agile Methoden und digitale Geschäftsmodelle. Beide Programme sind praxisorientiert und verbessern die Arbeitsmarktfähigkeit der Teilnehmenden.

Steckbrief Josef Walker
Jahrgang: 1964
Familie: zwei Kinder, ein Enkelkind
Ausbildung und Werdegang: Ausbildung zum Primarlehrer (1979–1984), Chemiestudium an der Université de Fribourg (1985–1990), Betriebswirtschaftsstudium an der Université de Fribourg (1991–1995)
Leiter Departement Entrepreneurial Management sowie Leiter Ressort Forschung & Entwicklung, Mitglied der Hochschulleitung, Fachhochschule Graubünden
Vizepräsident Association of Management Schools Switzerland (AMS), Mitglied Stiftungsrat INNOZET
Auf das nächste Jahr hin wird der Lehrgang neu konzipiert. Was ändert sich?
Viele Teilnehmende verfügen bereits über Grundlagenwissen. Deshalb reduzieren wir künftig Inhalte und Dauer – das macht die Programme schlanker, günstiger und für KMU attraktiver.
Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit der GKB?
Sehr positiv. Sie reicht weit über die Lehrgänge hinaus – etwa bei der Vertiefung «Banking & Finance» im Bachelorstudium oder in gemeinsamen Forschungs- und Praxisprojekten. Studierende bearbeiten dort konkrete Businessthemen, die von der GKB eingebracht werden.
Wie wichtig ist die GKB für die FHGR?
Die GKB ist für uns in vielerlei Hinsicht eine wichtige Partnerin. Zum einen besonders in der Förderung junger Talente – viele Studierende, die bei der Bank arbeiten, studieren parallel dazu bei uns. Daneben gibt es auch einige Mitarbeitende bei der GKB, die sich bei uns engagieren – sei es als Lehrbeauftragte oder, wie Alexander Villiger, Leiter Personal bei der GKB, als Fachbeirat. Zudem sitzt mit Enrico Lardelli auch ein Mitglied der GKB Geschäftsleitung bei uns im Hochschulrat.
Als Coach haben Sie viele Start-ups begleitet. Gibt es eines, das Sie besonders beeindruckt hat?
Da gibt es einige. Zu ihnen gehört die esave AG. Das Unternehmen wurde 2011 von drei Freunden in einem Churer Wohnzimmer gegründet. Heute umfasst das Team in der Schweiz rund zwanzig Mitarbeitende und beliefert Kundinnen und Kunden über die Landesgrenzen hinaus mit intelligenten Beleuchtungslösungen. Die innovative Technologie der esave AG sorgt dafür, dass sich Lichter im öffentlichen Raum nur dann einschalten, wenn sie tatsächlich benötigt werden. Das spart Energie und reduziert die Lichtverschmutzung.
Schön, haben Sie ein Bündner Unternehmen genannt. Hat die Region eigentlich besondere Herausforderungen für Start-ups?
Zu den Herausforderungen zählt ganz klar die eingeschränkte Marktgrösse hier vor Ort. Viele Unternehmen sind daher gezwungen, national oder international zu agieren. Zum Glück lassen sich die wenigsten davon abschrecken. Am Ende des Tages lebt Innovation von Menschen, die etwas wagen.
Haben Sie zum Schluss noch einen Rat an potenzielle Jungunternehmer?
Erfolg basiert auf Fokus, dem richtigen Team und Lernfähigkeit. Die besten Unternehmen reagieren schnell, testen, verwerfen und beginnen dann wieder von Neuem. Erfolg ist nie ein gerader Weg – entscheidend ist, nicht aufzugeben. ■
