Im Fokus

«Es braucht vor allem Neugier, Kreativität und Zusammenarbeit, um Neues zu schaffen.»

Interview: Valentin Handschin Fotos: Ethan Oelman

Die technologische Entwicklung unserer Gesellschaft schreitet rasch voran, und die Corona-Pandemie beschleunigt sie zusätzlich. Marianne Janik, Technologie-Expertin bei Microsoft, schildert die Bedeutung der Digitalisierung für sogenannte Randregionen und zeigt auf, wie man Bedenken gegenüber Technologien offen und transparent begegnen kann. Und sie verrät ihre liebsten technologischen Lösungen.

Ihre Beförderung zur Deutschland-Chefin von Microsoft hat Marianne Janik mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegengenommen. Einerseits bietet ihr diese Position, welche sie erst kürzlich in München angetreten hat, willkommene neue berufli­che Herausforderungen. Andererseits schätzt sie die Schweiz sehr und kennt sie auch gut – ist sie doch in Konstanz am Bodensee aufgewachsen, hat unter anderem in Genf studiert und war vom Sommer 2015 bis November 2020 als hiesige Länderchefin von Microsoft tätig. Es sei ihr deshalb sehr wichtig, den Kontakt zur Schweiz nicht abreissen zu lassen. Sie werde zum Beispiel weiterhin als Verwaltungsrats­mitglied des Migros-Genossenschafts-Bundes oder als Beirätin der Wirtschaftsfakultät der Universität Genf ­tätig sein.

Der Kontakt zur Schweiz soll bestehen bleiben

«Und selbstverständlich werde ich auch meine Kontakte in Graubünden weiter pflegen», betont sie im Gespräch. So ist sie im Herbst 2020 von der Bündner Regierung zum Mitglied des kantonalen Tourismus­rates ernannt worden, um dieses Gremium im Hinblick auf die Herausforderungen in der Digitalisierung zu unterstützen. Diese Tätigkeit werde sie wie geplant bis Ende 2021 ausüben. Auch die Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Graubünden (FH GR) soll weiter ausgebaut werden. Zudem unterstützt Microsoft Schweiz den in Chur geplanten «InnoQube Swiss» und in La Punt Chamues-ch den «InnHub La Punt» von Mia Engiadina.

Innovative Schweiz – auch in sogenannten Randregionen

«Diese Projekte sind aus unserer Sicht der deutliche Beweis, dass Innovation nicht nur in den Schweizer Gross­städten, sondern verstärkt auch in Regionen wie Graubünden passiert», sagt Marianne Janik. «Graubünden ist ein idealer Innovationsstandort, denn neben der Technologie sind vor allem Mut, Neugier, Kreativität und Zusammenarbeit wichtig, um Neues zu schaffen.» Die ausgezeichnete Infrastruktur und die inspirierende Natur seien diesbezüglich ideale Voraussetzungen. Zudem können dank dem ortsunabhängigen Arbeiten, das für Microsoft Schweiz schon seit vielen Jahren zum betrieblichen Alltag gehört, auch attraktive Arbeitsplät­ze in den sogenannten Randregionen geschaffen werden. «Wir benötigen viele talentierte Arbeitskräfte und müssen sie dank solcher Angebote nicht bitten, in den Gross­raum Zürich zu ziehen», so Janik. Dank der guten ­Infrastruktur, zum Beispiel schneller und verlässlicher Internet-Verbindungen, seien diese ortsunabhängigen Arbeitsformen in der Schweiz auch problemlos möglich.

Corona-Pandemie verändert Denken über Technologien

Dabei sei es aber wichtig, die bereits bestehenden digitalen Technologien und Lösungen noch besser mit Unternehmenskulturen und der virtuellen Zusammenarbeit über Distanzen hinweg zu verknüpfen. «Wir können heute bereits Softwareprogramme mithilfe grafischer Benutzeroberflächen erstellen und benötigen dadurch keine traditionellen Programmierkenntnisse mehr. Somit ist es für uns alle viel einfacher und schneller möglich, auch als Informatiklaien eine gute technologische Lösung für ein spezifisches Problem zu finden», erklärt Janik. Die Herausforderung sieht sie aktuell vielmehr darin, die Existenz dieser Programmierplattformen in der breiten Bevölkerung bekannt zu machen, damit sie zukünftig möglichst oft genutzt werden.

«Graubünden ist ein idealer Innovationsstandort mit ausgezeichneter Infrastruktur und inspirierender Natur.»

Marianne Janik, Deutschland-Chefin von Microsoft

In beiden Welten zuhause: Marianne Janik benutzt häufig den Laptop, möchte aber die Wertigkeit von Papier beim Schreiben mit der Hand nicht missen.

Neben Chancen stets auch Gefahren

Solche einfachen Lösungen würden auch die Akzeptanz der Digitalisierung und neuer Technologien fördern. «Ich kann gut verstehen, wenn Menschen manchmal ein gewisses Unbehagen gegenüber der Digitalisierung und neuen Technologien verspüren. Und es gibt ja durchaus auch Punkte, die man zu Recht kritisieren kann. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Technologieunternehmen ihre Tätigkeiten und Angebote transparent darstellen», betont Janik. Allerdings hänge das persönliche Verhältnis zu technologischen Erneuerungen immer auch vom eigenen Verhalten ab: «Wir sind nicht Opfer der Technologie und werden von ihr auch nicht wie von einer Welle überrollt. Aber wir sollten uns stets gut informieren und mit diesem Thema auseinandersetzen. Denn die Bedeutung des technologischen Wandels wird weiter zunehmen.» Es werde aber nicht alles virtuell oder digital: «Ich benutze zwar sehr oft und gerne meinen Laptop. Gleichzeitig schätze ich die Wertigkeit von Papier sehr und schreibe gerne auch von Hand.»

Beeindruckt von automatisierten Übersetzungen

Auf die Frage, welche technologischen Fortschritte sie speziell beeindruckt haben, nennt Marianne Janik zwei konkrete Beispiele: Einerseits sei sie auch nach vielen Jahren jeden Tag noch aufs Neue fasziniert von den sogenannten «Head-up»-Displays in Autos oder Flugzeugen. Dabei handelt es sich um ein Anzeigesystem, bei dem der Nutzer die Kopfhaltung respektive die Blickrichtung beibehalten kann, weil die Informationen in sein Sichtfeld projiziert werden, also zum Beispiel auf die Frontscheibe des Autos. Es ist somit nicht mehr notwendig, den Blick von der Strasse weg hin zum Display des Autoradios oder des Navigationssystems zu richten.

«Ausserdem bin ich sehr beeindruckt von der hohen Qualität, welche automatisierte, online-basierte Übersetzungsdienste inzwischen erreichen.» Auch wenn dies, wie sie schmunzelnd zugibt, natürlich dazu geführt hat, dass man an ausländischen Feriendestinationen immer seltener auf abenteuerliche Übersetzungen der lokalen Speisekarte stösst.

Steckbrief

Name: Marianne Janik

Funktion: Deutschland-Chefin von Microsoft (seit November 2020)

Jahrgang: 1965

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung: Studium der Rechtswissenschaft in Würzburg (Deutschland) und Genf, Promotion zu den «Möglichkeiten und Grenzen einer gemeinsamen Exportkontrolle in der Europäischen Union»

Bisherige Karriere: Daimler Benz (Mitarbeiterin Public Affairs), EADS-Tochtergesellschaft (Leiterin Vertrags­abteilung, Vertriebsleiterin für das Behörden-, Bundeswehr- und Industriekunden-Geschäft), Microsoft Deutschland (als Mitglied der Geschäfts­leitung verantwortlich für die Bereiche öffentliche Verwaltung, Bildung und Gesund­­­heits­wesen), Microsoft Schweiz (Country General Manager)

Sonstiges: Marianne Janik nutzt beim Outlook-Programm gerne die Möglichkeit, E-Mails via Sprach­erkennung zu verfassen. Und sie nutzt oft die Audiofunktion von Office-Programmen, um sich Texte vorlesen zu lassen.