Im Fokus

«Anlegen hilft bei der Erreichung der Vorsorgeziele.»

Interview: Oliver Seifried Fotos: Nicola Pitaro

Die zunehmende Lebenserwartung unserer Gesellschaft ist für alle eine schöne Nachricht. Die dadurch verlängerte Rentenbezugsphase überfordert jedoch unser heutiges Rentensystem der staatlichen und der beruf­lichen Vorsorge (1. und 2. Säule). Mehr denn je sind wir persönlich gefordert, uns um unsere eigene private Vorsorge zu kümmern. Die beiden GKB Mitarbeitenden Roger Gabathuler, Leiter Financial Services, und Adrian Schneider, Leiter Investment Center, legen die Notwendigkeit finanzieller Sicherheit dar, erklären, ­warum Vorsorgen und Anlegen zusammengehören, und beschreiben, wie und warum Privatanlegerinnen und -anleger langfristig anlegen sollten.

Was heisst Vorsorgen überhaupt?

Roger Gabathuler: Grundsätzlich geht es in der Vorsorge darum, sich über das eigene finanzielle Wohl und das der Liebsten in der Zukunft Gedanken zu machen. Für sich zu sorgen, ist etwas vom Wichtigsten im Leben. Dazu zählt die Grundvorsorge zu Invalidität und Tod genauso wie die Altersvorsorge.

Adrian Schneider: Vorsorgen bedeutet auch, Eigenverantwortung zu übernehmen und weitsichtig zu planen, um sich nicht ausschliesslich auf die staatliche und die berufliche Vorsorge verlassen zu müssen. Dabei geht es stets um die Grundsatzfrage: Welchen Lebensstandard möchte ich in der Zukunft haben, und wie kann ich diesen sichern?

Gabathuler: Elementar dabei ist, dass zuerst Grund­risiken wie Invalidität und Tod gedeckt sein müssen. Erst wenn diese Grundrisiken versichert sind, sollte der nächste Schritt mit Sparen und Anlegen erfolgen.

Steckbrief Adrian Schneider

Funktion: Leiter Investment Center

Jahrgang: 1985

Familie: Verheiratet, Vater eines 10 Monate alten Sohnes

Ausbildung: Berufslehre als Informatiker, danach Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Abschluss als Master in Banking and Financial Management an der Universität ­Liechtenstein. Weiterführende Ausbildungen als Chartered ­Financial Analyst (CFA), Financial Risk Manager (FRM) und Chartered Alternative Investment Analyst (CAIA).

Ultraniedrige Zinsen und die demografische Entwicklung setzen die staatliche und die berufliche Vorsorge unter Druck. Wie verändert diese anhaltende Situation den Aufbau des Vorsorgekapitals?

Gabathuler: Prinzipiell gar nicht. Den Menschen ist eher noch bewusster geworden, dass es wichtig ist, selber etwas für die eigene Vorsorge zu tun. Je besser ich über den Umfang der staatlichen und der beruflichen Vorsorge informiert bin, desto klarer wird, dass ich mich um die private Vorsorge kümmern muss. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld das Geld auf dem Sparkonto liegen zu lassen, ist die falsche Entscheidung.

Schneider: Anlegen hilft bei der Erreichung der Vorsorgeziele und schafft eine Alternative im Niedrigzinsumfeld. Der Kapitalmarkt sollte genutzt werden, um die gewünschte Rendite beim Vorsorgen zu erreichen und die Kaufkraft zu erhalten.

Reicht es aus, sich bei der Vorsorge nur auf die staatliche und die berufliche Säule zu verlassen?

Gabathuler: Unsere Ansprüche haben sich stark verändert. Sie können durch die staatliche und die berufliche Säule meist nicht mehr gedeckt werden. Es ist entscheidend, sich frühzeitig über die persönliche Vorsorge­si­tuation Gedanken zu machen und zu berechnen, ­welches Einkommen die 1. und die 2. Säule künftig beitragen werden. Die 3. Säule ist viel wichtiger geworden, weil dort mit frühzeitigem Investieren der Lebensstandard gewahrt werden kann.

Schneider: Gemäss Gesetz soll mit dem Einkommen aus der 1. und die 2. Säule nach der Pension die gewohnte Lebenshaltung in angemessener Weise fortgesetzt werden können. Als Leistungsziel wird angestrebt, dass die Renten aus AHV und Pensionskassen 60 Prozent des früheren Lohns ausmachen. Jede und jeder sollte sich selbst die Frage stellen, ob das reicht, um den gewohnten Lebensstandard fortzuführen.

Wie beurteilen Sie die Vorsorgementalität von Frau und Herr Schweizer?

Gabathuler: In der täglichen Arbeit stellen wir fest, dass sich immer mehr Menschen immer früher mit der Vorsorge und insbesondere der Altersvorsorge ­beschäftigen. Dazu hat sicher auch Corona beigetragen. Die Menschen sehen, dass sich Vorsorgen für schwierige Zeiten wie jetzt lohnen kann. Sie sind daran interessiert, zu sparen, wo es ihnen möglich ist.

Entscheidend ist: Je früher sie anfangen zu sparen – und sei es mit noch so geringen Beträgen – und je besser angelegt wird, desto mehr bringt es ihnen. Vor allem beim Mittelstand ist der Bedarf gross. Ebenso ist es Tatsache, dass Frauen bei der Vorsorge heute aus verschiedenen Gründen oftmals vor grösseren Herausforderungen stehen als Männer.

Schneider: Allgemein herrscht besonders in der ­privaten Vorsorge noch eine grosse Zurückhaltung, was die Vorsor­ge mithilfe der 3. Säule betrifft. Dies erstaunt uns, da mit der 3. Säule steuerbegünstigt vorgesorgt werden kann.

Gabathuler: Wir sind ein Land von Sparerinnen und Sparern, aber immer noch traditionell mit dem Sparkonto. Umso wichtiger ist die Vermittlung von Anlagewissen. Denn in der Regel ist eine Anlage immer noch die beste Vorsorge.

Steckbrief Roger Gabathuler

Funktion: Leiter Financial Services

Jahrgang: 1973

Familie: Verheiratet, Vater einer 20-jährigen Tochter und eines 16-jährigen Sohns

Ausbildung: Banklehre bei der Graubündner Kantonalbank, Weiterbildungen auf dem Gebiet Finanzplanung, Treuhand und Steuerrecht. Langjährige nebenamtliche Tätigkeit als Dozent für die höhere Fachschule Bank und Finanz (HFBF).

Was kann die GKB tun, um die Kundinnen und Kunden zum Anlegen zu motivieren?

Schneider: Anlegerinnen und Anleger müssen sich wohl­fühlen mit dem, was sie tun. Anlegen bedeutet nicht spekulieren, sondern bietet die Möglichkeit, langfristig gewisse Vorsorgeziele zu erreichen. Bei Schweizer Aktien etwa liegen gemäss einer Studie der Credit Suisse die historischen Renditen seit 1900 inflationsbereinigt bei rund fünf Prozent pro Jahr. Das zeigt die Vorteile von langfristigem Investieren. Vorsorgekonti hingegen bieten kaum noch Zinsen und tragen daher nicht mehr zur Vermögensoptimierung bei. Allein das sollte bereits eine hohe Motivation fürs Anlegen darstellen. Die GKB kann hier besonders durch Aufklärung, eine individuelle Beratung und einfache Anlagelösungen unterstützen.

Gabathuler: Jetzt, wo 1. und 2. Säule unter Druck sind, sind vor allem die Jungen aufgefordert, sich zeitnah mit ihrer Vorsorge zu befassen. Dabei geht es nicht nur um die Altersvorsorge, sondern auch um andere Dinge, für die es sich zu sparen lohnt. Und wenn ich spare, ist es sinnvoll, das Geld auch anzulegen. Dadurch bekommt Sparen eine andere Bedeutung und wird zu etwas Vertrautem, weil das Sparziel letztlich erreicht wird. Insge­samt wird schon vieles in diese Richtung unternommen. Heute werden vermehrt Anlagesparpläne eingesetzt, auch Jugendliche nutzen solche öfter. Digitale Tools wie Apps unterstützen diese Entwicklung.

Welche Geldanlage eignet sich besonders für den langfristigen Vermögensaufbau?

Gabathuler: Das hängt von der individuellen Vorsorgesituation und den zur Verfügung stehenden Mitteln ab. Habe ich meine Risiken wie Invalidität und Tod abgesichert, und wie sieht meine Altersvorsorge aus? Wenn das geklärt ist, geht es darum, zu eruieren, welches Potenzial ich zum Anlegen habe. Sparen mit kleinen Beträgen führt zu anderen Vorsorge- und Anlagelösungen als mit grösseren Beträgen.

Schneider: Grundsätzlich eignen sich viele Anlagen wie beispielsweise Aktien, Anleihen oder Immobilien für die Vorsorge. Letztlich ist es abhängig von den individuellen Bedürfnissen. Wir empfehlen, stets eine diversifizierte Lösung zu wählen, die langfristig ein klares Ziel verfolgt und nicht mit Vorsorgegeldern spekuliert.

Vorsorge-Tipp: Jugendlicher

Situation: Gamen, Sport, Reisen, Freunde: Der 19-jährige Thomas möchte sein Leben geniessen und sich nicht mit Vorsorgethemen beschäftigen. Der Lebensabend ist für den Lehrling ja noch weit weg. Wie kann er für die Vorsorge sensibilisiert werden?

Ratschlag: Für sich zu sorgen, ist etwas vom Wichtigsten im Leben. Vorsorgen bedeutet nicht zwangsläufig Altersvorsorge. Es gibt zahlreiche andere Dinge, für die es sich zu sparen lohnt. Besonders sinnvoll ist Sparen, wenn das zurückgelegte Geld langfristig am Kapitalmarkt angelegt wird. Bereits mit regelmässigen kleinen Beträgen kann über die Zeit ein beachtliches Kapital entstehen – zum Beispiel mit Wertpapieren. Digitale Tools wie Apps erleichtern den Zugang und animieren Jugendliche, sich auf bekannte Weise mit Anlage- und Vorsorgethemen auseinanderzusetzen.

Vorsorge-Tipp: Studentin

Situation: Die 22-jährige Lisa lebt pflichtbewusst. Die Studentin legt jeden Monat CHF 250 auf ihr Sparkonto. Dort erhält sie jedoch keine Zinsen mehr. Wie kann sie ihre Vorsorge optimieren?

Ratschlag: Positiv ist, dass sich die Studentin Gedanken über ihre Zukunft macht und nach einem Plan agiert. Geld im aktuellen Niedrigzinsumfeld auf dem Sparkonto liegen zu lassen, ist jedoch keine kluge Entscheidung. Spar- und Vorsorgekonti werfen zu wenig Zinsen ab, um den Wertverlust (Inflation) des Geldes auszugleichen. Mit regelmässigem und konsequentem Anlegen am Kapitalmarkt – auch von kleinen Beträgen – wird das Sparziel erreicht und die Kaufkraft bleibt erhalten.

Wie können Privatanlegerinnen und Privatanleger Fallen wie emotionale Anlageentscheide oder In­vest­ments bei Höchstständen an der Börse vermeiden?

Schneider: Beim Anlegen ist es ratsam, eine langfristige und disziplinierte Strategie zu verfolgen und nicht zu versuchen, den Markt zu «timen». Mit regelmässigem und konsequentem Investieren, zum Beispiel in einen Wertpapiersparplan, setze ich auf eine langfristige Lösung, die sich nicht vom Timing beirren lässt.

Gabathuler: Zum Zeitpunkt, in dem man in Wertschriften investieren sollte, tut man es vielfach nicht. Dies ist in jungen Jahren, aber auch im fortgeschrittenen Alter so. Wer die Kaufkraft erhalten möchte, sollte sein anlagefähiges Vermögen investieren – und keine Angst vor einem Investment haben. Die Gefahr ist grösser, die Kaufkraft zu verlieren, wenn nichts getan wird. Das ist heute oftmals das Problem.

Welche Trends sind in der Vorsorge und beim Anlegen zu beobachten?

Gabathuler: Dass sich die Menschen mehr aufklären lassen wollen und dass sich mehr Junge für die The­matik interessieren. Das ist gut; denn betrachten wir unsere gesellschaftliche Entwicklung, besteht grosser Handlungsbedarf. Wir haben heute ganz andere Lebens­formen und müssen schauen, dass wir unsere Vorsorge sauber aufgleisen.

Schneider: Allgemein nimmt das Interesse am Anlegen zu. Wir sehen dabei einen Trend zum Wertschriftensparen. Da es kaum mehr Zinsen auf Vorsorgekonti gibt, investieren die Menschen vermehrt in Wertschriften. Fortschritte gibt es auch bei der Digitalisierung. Der Zugang zur Vorsorge via Apps wird einfacher. Auch das Thema Nachhaltigkeit hält Einzug. Zudem beobachten wir, dass Individualität im Rahmen der beruf­li­chen Vorsorge (Stichwort 1e-Vorsorgelösung), aber auch in der privaten Vorsorge, stetig an Bedeutung gewinnt.

Für wen eignet sich die private Vorsorge über die 3. Säule?

Gabathuler: Ganz klar für alle. Die 3. Säule ist ein wesentlicher Bestandteil der Vorsorge. Die Menschen sind fit, wenn sie in Pension gehen, und wollen noch etwas erleben. Dieses Ziel führt dazu, dass sie bereit sind, dafür vorzusorgen. Und dafür braucht es die 3. Säule.

Schneider: Die 3. Säule ist ein gutes Vehikel zur Unterstützung der Erreichung der persönlichen Vorsorgeziele. Mit der Steuerersparnis in der Säule 3a können zudem schnell grosse Vorteile entstehen. Das muss in einer ungebundenen Vorsorge erst einmal erwirtschaftet werden. Ausserdem kann das eigene Risikoprofil beim Wertschriftensparen in der 3. Säule besser reflektiert werden.

Wie lautet Ihr wichtigster Tipp für die Vorsorge?

Gabathuler: Für sich sorgen und sich Gutes tun. Sprich: Das Heute geniessen – in die Zukunft investieren.

Schneider: Nutzen Sie die Vorteile des Kapitalmarkts zur Erreichung der Vorsorgeziele.

Vorsorge-Tipp: Unternehmerin

Situation: Silvia (50) ist verheiratet und erfolgreiche Unternehmerin. Sie will sich spätestens in zehn Jahren zur Ruhe setzen und danach von ihrem erwirtschafteten Vermögen leben. Wie kann sie dieses Ziel erreichen?

Ratschlag: Wir empfehlen Silvia eine Finanzplanung mit Fokus Kapitalaufbau für eine vorzeitige und sorgenfreie Pensionierung. Dabei geht es unter anderem um folgende Fragen und Entscheidungen: Wie soll das benötigte Vermögen aufgebaut werden, damit der gewohnte Lebensstandard gesichert ist? Wie können die Steuern optimiert werden? Wie soll die Leistung der Pensionskasse bezogen werden, als Rente oder Kapital? Ist für den Ehemann gesorgt, sollte Silvia sterben? Idealerweise findet diese Planung acht bis zehn Jahre vor dem gewünschten Pensionsalter statt, um alle Optimierungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Vorsorge-Tipp: Geschiedener Vater

Situation: Jonas (40) ist frisch geschieden. Seine Tochter lebt bei seiner Exfrau, an die er monatlich Unterhalt zahlt. Nach diesem unerwarteten Ereignis denkt er über seine finanzielle Absicherung im Alter nach. In den letzten Jahren hat Jonas sein Arbeitspensum auf 80 Prozent reduziert. Worauf muss er achten?

Ratschlag: Durch den sogenannten Vorsorgeausgleich werden die Beiträge in die AHV gesplittet, und das während der Ehe gemeinsam angesparte, gesamte Altersguthaben der 2. Säule wird hälftig geteilt. Jonas sollte klären, wie seine Abdeckung der Grundrisiken Invalidität und Tod durch die 1. oder die 2. Säule aussieht. Aus Vorsorgeüberlegungen sollte er prüfen, sein Arbeitspensum so rasch wie möglich auf 100 Prozent zu erhöhen, um keine weiteren Nachteile bei der Altersvorsorge zu erleiden. Sparen mit der gebundenen Vorsorge in der 3. Säule erhöht zudem die finanzielle Sicherheit im Alter und spart Steuern.