«Läutet die Zeitenwende eine Zinswende ein?»
Editorial ■
Martina Müller-Kamp
Leiterin Geschäftseinheit Marktleistungen Mitglied der Geschäftsleitung
«Läutet die Zeitenwende eine Zinswende ein?»
Editorial ■
Mein bisheriges Arbeitsleben in der Finanzwirtschaft war geprägt von der Globalisierung, von Überfluss und damit einhergehend von strukturell sinkenden Zinsen. Natürlich gab es Phasen wie in den Jahren 2004 bis 2007 oder in den USA auch 2016 bis 2019, in welchen die Notenbanken die Zinsen erhöht haben; allerdings nur, um danach wieder auf den langfristigen Zinssenkungspfad einzuschwenken. Inflation wurde als tot angesehen, Verschuldung gab es kostenfrei – sowohl für Private als auch für den Staat. Die Begehrlichkeiten stiegen ins Unermessliche.
«Zeitenwende» ist ein grosser Begriff. Doch mit der Rückkehr von Knappheit und Inflation kann man von einer Zeitenwende reden. In jüngster Zeit haben wir gelernt, dass Globalisierung und wirtschaftliche Integration uns nicht vor geopolitischen Spannungen und Krieg schützen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Länder in Krisenphasen auf sich selbst gestellt sind. Die Renationalisierung von Lieferketten und das Streben nach einer grösseren Versorgungssicherheit in strategisch bedeutenden Bereichen wie der Energieversorgung sind die Konsequenz. Das führt dazu, dass Produktion und Dienstleistungen nicht mehr zwingend dorthin ausgelagert werden, wo es am günstigsten ist.
Knappheit, Inflation und die Notenbankpolitik zur Begrenzung der Inflation feiern damit ihre Auferstehung. Und was bedeutet das für die Aktienmärkte? Das Umfeld wird anspruchsvoller. Werthaltigkeit, Qualität und Preissetzungsmacht rücken wieder in den Vordergrund. Aber auch in diesem Umfeld bleiben Aktien – als Sachwerte – langfristig die attraktivste Anlageklasse.
Martina Müller-Kamp
Leiterin Geschäftseinheit Marktleistungen Mitglied der Geschäftsleitung